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Entgegen der eigentlichen Planung den Wolkenwald in nördlicher Richtung zu durchqueren, machten wir also kehrt und folgten auf direktem Kurs der Straße Richtung Maschhad ohne einen kurzen weiteren Zwischenstopp am Kaspischen Meer. Die Landschaft wurde in dieser Region schon deutlich trockener, auch einige Salzseen fanden sich abseits des Weges. Aber etwas wirklich Spannendes passierte erstmal nicht weiter. Nach den ersten Wochen in diesem Land war uns das aber auch sehr recht mal wieder etwas Ruhe und Zeit für uns zu haben.
Zwei Tage vor Erreichen der großen Stadt im Nordosten welche auch Omid‘s Heimat ist, riefen wir ihn für eine Verabredung an. Seine Reaktion hatte uns etwas überrascht, denn er konnte sich nicht daran erinnern uns seine Nummer gegeben zu haben. Vielleicht gab es in den Bergen doch den einen oder anderen Wodka zu viel. Der Freude über unseren Anruf tat das allerdings keinen Abbruch. Mit reichlich Tipps für Sehenswürdigkeiten für die letzten paar hundert Kilometer machten wir uns auf zu unserem vereinbarten Treffpunkt. Wunderschöne Sandstein-Canyons mit reichlich Gelegenheit zum Sportklettern und ein paar historische Städten sorgten für Abwechslung.
Eine Begegnung ganz anderer Art hatten wir noch zwischendrin in Maschhad, als wir nichtsahnend im Stau in der Stadt an einer Ampel standen und uns so das bunte Straßentreiben anschauten. Gewürzstände an den Straßenrändern, viele Fußgänger und ein obligatorischer Rosenverkäufer. Auto um Auto ging es langsam vorwärts und wie ihr wisst, ist man mit Ernst nicht gerade in seiner Lieblingsumgebung, wenn man mitten im dicken Verkehr steckt. Wir beobachteten weiter und sahen, dass ein Mann aus seinem Auto stieg und zum Rosenverkäufer lief, eine Rose kaufte und dann… zu uns kam. Wir öffneten unser Fenster und er reichte uns die Rose herein mit den einzigen Worten „Welcome to Iran!“. Völlig verdattert saßen wir da, dankten im mehrfach und schwupp war er wieder in sein Auto gestiegen. Einmal mehr erlebten wir, wie Iraner Reisende mit offenen Armen empfangen, ohne sie jemals vorher gesehen zu haben oder irgendeine Gegenleistung zu erwarten.
In der Stadt angekommen, ging es eigentlich direkt wieder hinaus, denn wie ja schon erwähnt, gibt es für Iraner nichts Besseres als Camping. Und so fanden wir uns kurze Zeit später abseits der Stadt in einer nackten Hügellandschaft wieder, der Blick auf einen wunderschönen kleinen See gerichtet zu dem Ernst leider nicht runter fahren konnte. Das Gelände war dann doch etwas zu steil für ihn. Umringt von Omid‘s Freunden saßen wir auf unseren wunderschönen persischen Picknickdecken, grillten Lamm und Hühnchen, verputzten köstlichen Auberginenjoghurt und genossen die vielen Geschichten der netten Menschen um uns herum. Mit der untergehenden Sonne führte uns Omid wieder zurück in die Stadt. Unser neu gewonnener Schlafrhythmus der sich der Sonne angepasst hatte forderte uns schon lange auf den Weg ins Bett zu suchen, aber hier wurde die Rechnung ohne den Wirt gemacht, denn es ging nicht zu einem ruhigen Schlafplatz, sondern in ein traditionelles Restaurant wo noch für Stunden weiter erzählt und gegessen wurde. Aber auch dieser Tag fand schließlich sein Ende in einer abgelegenen Straße unter einer Laterne. Der nächstmorgendliche Kaffee wurde durch eine Polizeikontrolle unterbrochen, wie so oft in diesem Land, aber wieder einmal eine sehr freundliche Begegnung aus der wir mit einer privaten Telefonnummer der Polizisten für Notfälle entlassen wurden.
Heute stand dann die Abholung der turkmenischen Visa auf dem Programm. Mit der ortskundigen Begleitung von Omid und Reza war es auch gar kein Problem das Konsulat zu finden. Die uns verbleibende Zeit in dieser Stadt wurde genutzt um Ernst mit zwei kleinen, aber wunderschönen persischen Teppichen auszustatten und den Holy Shrine zu besuchen. Noch nie etwas davon gehört? Wir auch nicht. Und wer dachte, dass der Vatikan schmuckvoll und prächtig ist, der wird bei dem Anblick dieses Bauwerkes sehr große Augen bekommen. Über eine Fläche von 10km² (Angabe vom Guide) erstreckt sich eine der zentralen Stätten des Muslimischen Glaubens. Ein Pilgerort, annährend auf der gesamten Fläche mit geknüpften Perserteppichen ausgelegt, verziert mit goldenen Torbögen, verspiegelten Sälen, und über und über mit kunstvollen Mosaiken verziert. Man hat keine Ahnung was einen erwartet wenn man aus der Tiefgarage über die Rolltreppe nach oben fährt. Daher hat es uns auch für die ersten Minuten komplett die Sprache verschlagen. Betreten werden musste der Holy Shrine natürlich nach Geschlechtern getrennt und Conny wurde das von Reza‘s Schwester geliehene Tuch (ja, der Kopf-Schal reichte hier nicht aus) erstmal ordnungsgemäß von den Frauen um den ganzen Körper gewickelt, sodass sie vernünftig gekleidet diesen heiligen Ort betreten durfte. Reza übernahm hier die Führung und hatte auf jede unserer unwissenden Fragen eine tolle Antwort. Endlich mal aus ersten Hand etwas über einen anderen Glauben zu erfahren wirft ein völlig neues Bild auf viele Dinge. Man wurde förmlich mitgerissen durch die Ehrfurcht der uns umringenden Gläubigen als man in einem Strom am Allerheiligsten vorbeigedrückt wurde. Wieder einmal nach Geschlechtern getrennt, war das Erlebnis bei den Frauen so, dass sich ein Schwarm Frauen direkt an den Schrein drückten, der über und über dekoriert war. Babies wurden hochgehoben und nach vorne gereicht, in den hinteren Reihen wurde auf dem Boden gesessen und gebetet. Ein unvergessliches Erlebnis war es auf jeden Fall, wenn auch befremdlich.
Wir hatten ja noch versprochen zu erzählen was Omid so besonders macht. Die folgende Nacht verbrachten wir in einer kleinen Schlucht im Norden der Stadt. Wir erreichten den Ort erst spät, daher versperrte die Dunkelheit uns den Blick auf die Felswände um uns herum, als jedoch Omid zu einem kehligen Gesang aus voller Brust ansetzte um auf Farsi (Persisch) über die Liebe zu singen, hallte es von den Wänden wieder in einer Weise die jedes Opernhaus erblassen ließe. Wir saßen zu dritt an einem kleinen Lagerfeuer, einer sang, zwei weinten. Wohl der berührendste Moment der ganzen Reise. Diese ehrliche Liebe zu seiner Kultur und seinem Land haben uns von den Füßen gerissen, denn jeder andere den wir bisher im Iran getroffen haben, wollte irgendwie weg in ein anderes Land. Nicht, dass Omid nichts zu kritisieren hatte, aber er hat die Schönheit des Landes für sich erkannt und gefunden. Unsere Darbietung deutscher Gesangskunst in Form eines alten Kanon (Hejo, spann den Wagen an) konnte da nicht wirklich mithalten. Unsere Sprache ist einfach nicht zum Singen gemacht. Des Nachts folgten dann auch wieder Omids Freunde der Einladung zum Camping, und so lachten, aßen und tranken wir bis in die späte Nacht hinein. Nach ein paar tollen Kletterrouten am nächsten Morgen und einer Tasse Tee im Zelt einer Bauernfamilie welche hier auch ihr Lager aufgeschlagen hatten, geleitete uns Omid in Richtung turkmenischer Grenze. Unterwegs wurden noch die Vorräte aufgefüllt wofür wir mal wieder nichts bezahlen durften, und so nahmen wir an einem kleinen See im Norden des Landes Abschied von einem ganz besonderen Menschen. Allerdings nicht ohne ihm das Versprechen abzuringen uns zu Hause zu besuchen. Wir hoffen er hält sich daran.
In der kleinen Grenzstadt besorgten wir uns noch schnell unsere eigene persische Picknickdecke. Ohne kann man einfach nicht richtig campen, haben wir gelernt 😉 Ab jetzt folgt Wüste, aber davon erzählen wir euch beim nächsten Mal mehr.