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Auf dem Weg nach Teheran versuchten wir nun noch eine Nacht einen Platz zu finden, der einigermaßen ungestört und weg von der Zivilisation war. Aber zwischen der Hauptstadt Teheran und der weiteren Metropole Karaj etwas zu finden, ist uqasi fast unmöglich. Wir bogen links in Feldwege, versuchten es in Industriegebieten und auf Schotterwegen. Nichts funktionierte. Überall waren entweder Häuser, Menschen oder „Alles verboten“ Schilder. Fast hoffnungslos bogen wir in eine Straße die zu einem Steinbruch führte. Unsere letzte Hoffnung.An ein paar Häusern, die wenig einladend aussahen, vorbei und wir kamen an ein einsames Gehöft. Es sah aus wie eine kleine Farm. Eigentlich wollten wir hier nicht bleiben, aber es wurde schon langsam dunkel und wir mussten uns entscheiden. Wir suchten uns also ein kleines Eckchen an einem Wasserbecken. Und gerade als wir den Motor ausgemacht hatten, kamen die Besitzer des Hofes aus ihrem Tor. So ein Mist dachten wir. Entgegen unseres Gefühls, gingen wir positiv auf sie zu und fragten (wie wir ja gelernt hatten), ob es für sie ok sei, dass wir die Nacht hier in der Nähe ihres Grundstücks stehen würden. Der jüngere Mann sprach Englisch und stellte sich als Reza vor. Ich dachte nur bei mir: Och nö, so wie mein Masterarbeitsbetreuer! Aber dieser Reza war unglaublich nett und erlaubte uns nicht vor seinem Gehöft zu stehen, sondern zwang uns gerade zu, dass wir uns auf den Hof stellen sollten. Erstaunlich für uns, da er gerade dabei mitsamt Vater und eines Arbeiters ins Auto zu steigen und nach Hause in die Stadt zu fahren. Wir lehnten mehrmals ab, aber konnten uns dann sozusagen nicht mehr erwehren und parkten um. Er zeigt uns die Toilette und schloss den Bungalow für uns auf. Wir dürften alles benutzten und sollten doch drinnen schlafen, draußen wäre es doch so kalt. Wir lehnten wieder mehrmals ab, aber wie konnten wir nur? Reza war so unglaublich freundlich! In der Zwischenzeit hatte der fast ins Auto gestiegene Arbeiter schon ein paar Holzscheite genommen und im Bungalow ein Feuer angezündet. Die drei verabschiedeten sich und schwupp waren wir alleine auf einer iranischen Farm, durften ins Haus, wo das Feuer schon für uns brannte. Wir dachten, mehr geht nicht, das ist Gastfreundschaft wie wir sie uns in Deutschland unmöglich vorstellen können. Doch nach einer Stunde kam Reza wieder, seine Freundin Mary im Schlepptau und mit mehreren Tüten. Nun wurden wir verpflegt. Widerstand zwecklos. Er spießte ein paar Lammteile auf, Mary breitete die Decke vor dem Feuer aus und es wurde Brot, Jogurtsoße und Chips geöffnet. Dazu gab’s natürlich Arrak. Wir erzählten und schlemmten den ganzen Abend. Dabei erfuhren wir, dass Reza tatsächlich nur über englische/amerikanische Filme englisch gelernt hatte. Keinerlei Unterricht oder ähnliches, einfach durchs gucken. Wir waren geplättet. So viel Lernwillen und dann auch noch so gut sprechen zu können, einfach WOW. Am Ende des Abends waren wir alle gut gesättigt und Martin und ich mehr als nur leicht angesäuselt und wir zwei plumpsten ins Bett, während Reza und Mary sich wieder auf in die Stadt machten. Am nächsten Morgen konnten wir immer noch nicht fassen, was uns am vorigen Tag widerfahren war.

Noch in Teheran besuchten wir unsere neu gewonnenen Campingfreunde und wurden -zack- zur Familie eingeladen. Da standen wir nun, konnten und wollten nicht nein sagen, aber zu einer iranischer Großfamilie zu gehen ohne irgendwelche Verhaltensregeln zu kennen oder eine gemeinsame Sprache zu haben, würde doch an Martin’s und meine Grenzen stoßen. Aber hey, dazu waren wir doch unterwegs. Also rein ins Getümmel! Wir besuchten also Davoud und standen vor dem Anwesen seiner Familie. Ein mehrstöckiges Haus mit Laden, Werkstatt und Wohnräumen. Wir bekamen eine kleinere Führung durch den Laden und die Werkstatt wo etliche Mitarbeiter Bronzekronleuchter und -dekorationen herstellten. Der Hit im Iran, je prunkvoller, desto besser. Im Anschluss ging es hinauf ins Wohnzimmer. Im Iran haben wohlhabende Familie immer zwei Wohnzimmer. Eines für den Alltag und eines für besondere Anlässe. Wir waren also ein besonderer Anlass. Wir traten in einen riesengroßen Raum, in dem an sich nichts weiter war als viele Stühle, die vor den Wänden standen. Diese waren natürlich golden und mit schönstem Brokat bezogen. Wir trauten uns kaum darauf zu setzen. Uns empfing dort die Frau des Hauses, Davouds Mama. Conny reichte ihr die Hand und verneigte sich freundlich. Kurze Zeit später trafen die Schwestern mit Ehemännern und Kindern sowie der etwas zu lässige Bruder ein. Die Freude über ausländische Gäste war übergroß und Davoud übersetzte wie wild zwischen allen Beteiligten von Farsi auf Englisch und wieder zurück. Dann kam Martin dran mit der Begrüßung und reichte der Mama die Hand, die sie entschlossen nahm und schüttelte. Schallendes Gelächter aus allen Ecken des Raumes. Verwunderte Blicke unsererseits. Unser Freund klärte auf: „Iranische Frauen geben einem fremden Mann (alle außer Ehemänner) niemals die Hand.“ Martin war somit der erste und lief vor lauter Scham, Gelächter, und Raumtemperatur leicht rötlich an. Die Familie war aber unglaublich freundlich, aufgeschlossen und fröhlich, sodass das als kleiner Scherz am Rande verstanden wurde. Der Abend ging weiter mit wilden Gesprächen von einem zum anderen, tausenden Fragen an uns und Davouds Übersetzungskünsten. Manchmal tat er uns schon leid, weil er kaum eine Pause bekam.

Wir saßen dort und erzählten bis tief in die Nacht und am Ende des Abends nahm uns der Papa noch in die Familie auf. Dabei sagte er so wundervolle Worte, dass wir eventuell ein bis zwei Tränchen in den Augen hatten. Gegen vier Uhr morgens konnten wir uns unter Protest loseisen. Uns wurde das Gästezimmer angeboten doch wir bestanden auf unseren Ernst, da ja auch Laika noch dabei war. Die Eltern hatten uns so sehr ins Herz geschlossen, dass sie (obwohl Hunde unrein gelten ihrem Glauben) bereit waren, dass der Hund mit ins Haus dürfe. Wir schätzen dieses Angebot sehr, doch konnten wir uns darauf verständigen, dass wir mit Ernst in deren Garten übernachteten. Wir wurden dorthin eskortiert, aber nicht nur von unserem Freund, nein die ganze Familie (die noch wach war um vier Uhr morgens) setzte sich in zwei Autos und begleitete uns dorthin. Wir wurden für den nächsten Tag noch zum Mittagessen eingeladen, aber wir wussten schon, dass wir dann den ganzen Tag dort verbringen würden, also einigten wir uns auf ein Frühstück. Leider ging der Plan nicht auf, die Eltern die Uhrzeit entscheiden zu lassen und so saßen wir am nächsten Tag um acht Uhr morgens (ja, nur vier Stunden später) auf einer Picknickdecke zwischen Wildrosen und anderen wunderbar duftenden Blumen mit Davoud und seinen Eltern und ließen diesen wunderbaren Tag beginnen.

Wir bedankten uns noch eintausendmal für die freundliche Aufnahme in die Familie und den Abend und bekamen daraufhin prompt noch einen Begleitservice zu einer Autowerkstatt. Davoud’s Mama schloss im Ernst Freundschaft mit Laika, obwohl sie eigentlich sehr viel Respekt vor Hunden hat und sie und Conny erzählten mit Gesten und Handyfotos. Gegen nachmittags waren wir dann abfahrbereit Richtung Teheran Innenstadt. Wir durften aber nicht eher los, bis die Mama unserem Fluffi noch ein kleines, selbstgemachtes Kissen geschenkt hat. Martin uns ich waren am Kreischen vor Niedlichkeit!

Wir fuhren mit Davoud nach Teheran und er zeigte uns den Niavaran Palast, wo die Königsfamilie vor der Revolution vor 40 Jahren lebte. Wunderschön, modern und trotzdem königlich!

Wir ließen den Abend mit ihm und einer Freundin bei einem Essen am Darband ausklingen. Dazu stiegen wir eine sehr lange Treppe zu einem Berg hinauf. Seitlich war jeder Meter dieses Weges gesäumt von Restaurants mit allerlei Köstlichkeiten. Neben dem Fluss, über dem Fluss, in dem Fluss der durch die Schlucht floss, standen diese großen Teppichsofas, kleine Plateaus, ausgelegt mit einem Teppich, auf denen man gemeinsam sitzt und isst. Wir gingen ungefähr einen Kilometer bergan, bis es weniger Touristen gab und suchten uns eines der Restaurants aus. Wir bestellten Ab-Goosht, ein persisches Nationalgericht, von dem wir hörten, dass man dazu eine Anleitung bräuchte, um es zu essen. Zum Glück hatten wir ja Iraner dabei, die uns alles erklärten. Im Prinzip ist es eine Art Gulasch, serviert in einem Steintopf. Zuerst gießt man die Flüssigkeit aus in seine Schüssel und zerstampft dann mit einer Art mitgeliefertem Stößel die Festbestandteile, die im Steintöpfchen verbleiben. Es ist richtig lecker, aber selbst würde man wohl nie auf die Idee kommen, es so zu essen.

Die iranische Hauptstadt besuchten wir eigentlich wegen zweierlei Dingen. Einerseits wegen der Visumsbeantragung für Turkmenistan und andererseits um mal wieder eine Werkstatt zu finden. Besonders der erste Teil war extrem wichtig, da wir ohne Turkmenistanvisum einen ziemlich großen Umweg um das Kaspische Meer hätten machen müssen und wir uns zudem ziemlich hätten beeilen müssen, aus dem Iran wieder herauszukommen, denn unser Visum galt nur für vier Wochen, das Land ist groß und Ernst, na ihr wisst ja 😉 Also hieß es pünktlich an der Botschaft stehen und auf Audienz warten. Ja es war wirklich so. Die Botschaft befand sich in einer Stadtvilla, vor der schon einige Menschen warteten. Hereingelassen wurde aber niemand. Aber für uns nicht schlimm so konnten wir uns kurz mit Ursel und Janosch unterhalten, die wir vor der Botschaft trafen und in die gleiche Richtung wollten. Die Welt der Weltreisenden ist sehr klein! Man trifft sie alle entweder vor den Botschaften oder im Waschsalon wieder 🙂 Nach Belieben wurde nun eine Luke an der Seite des Hauses geöffnet und man konnte, wie auf einem Beichtstuhl kniend, sein Anliegen vortragen. Dass draußen eine Hauptverkehrsstraße war und man drinnen nur im Flüsterton mit einem sprach, half nicht unbedingt. Wie die Eichhörnchen hockten wir also nun vor der Luke, in der Hoffnung wenigstens ein paar Worte verstehen zu können. Nun ja. Glücklicherweise hatten wir uns schon vorher informiert, und wir wussten, was wir ausfüllen mussten und wie lange es ungefähr dauerte. Wir vermuteten dass der Herr so etwas wie Tuesday sagte und gingen kopfschüttelnd davon. Am Dienstag darauf riefen wir dann eine ominöse Nummer an, sagten unsere ominöse Nummer, nachdem eine Bandansage auch etwas ominöses gesagt hatten. Und siehe da, wir wurden zu jemand Ominösem persönlich verbunden, den wir nochmal zurückrufen sollten. Aber nach einigen hin- und her- sagte er uns dass unser Visum bereit sei und wir es abholen könnten. Puh, da hatte ja doch noch alles geklappt. Die Tage des Wartens verbrachten wir zwischen Teheran und Maschhad, denn in letzterem war es möglich das Visum abzuholen. Doch mehr davon, beim nächsten Mal.

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